Demonstration/Kundgebung 20. September 2019: Redebeitrag DGB – Stadtverband Braunschweig - Heinrich Betz
Guten Tag,
diese fff-Bewegung zur Rettung des Klimas, die Ihr SchülerInnen und Studenten in den letzten
Monaten auf die „Beine gestellt“ habt, ist fantastisch und kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Ihr junge Menschen nehmt Eure Themen, ja letztlich Euer Schicksal, selbst in die Hand. Ihr lasst Euch nicht abspeisen mit leeren Phrasen von den Lindners dieser Welt, die behaupten, für Politik
seien die Profis zuständig. Diese Profis haben uns durch ihr Tun erst in diese Situation gebracht, in der die Welt, in der wir stecken.
Deshalb ist das, was Ihr macht, genau richtig: Forderungen für eine lebenswerte Zukunft
aufstellen, dafür demonstrieren, das ist gelebte Demokratie.
Das ist der Geist unseres Grundgesetzes.
Endlich ist ein Druck entstanden, der Druck der Straße, den Jede/r versteht und der diese Regierung zwingt, ernsthaft an Maßnahmen zu arbeiten. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet heute, an diesem von Euch ausgerufenen Weltstreiktag, das sogenannte Klimakabinett das Maßnahmenpaket der Regierung vorstellt.
Und dazu kommt der Zwang der Verhältnisse, also der spür- und sichtbare Klimawandel, der die Mächtigen in diesem Land zum Umdenken und Einlenken zwingt.
Doch Vorsicht: Wir stehen erst am Anfang der Auseinandersetzungen.
Denn diese Regierung wird das Problem der Klimakatastrophe und der Umweltverschmutzung mit ihren Vorschlägen nicht in den Griff bekommen.
Sie setzt zuallererst auf Preise für die Verschmutzung unserer Umwelt, zum Beispiel Preise auf CO² - Zertifikate, und sie setzt auf spezifische Kaufanreize (z.B. für den Ersatz alter Heizungen,
für E-Autos etc.).
Das heißt: Umweltschutz bleibt zuerst ein Problem des Geldbeutels. Diese Regierung will vor allem den Märkten die Regulierung eines Menschheitsproblems überlassen - wo doch offensichtlich ist, dass erst das Versagen gerade dieser Märkte, das Versagen unserer Art des Wirtschaftens und unseres Verständnisses von Wohlstand und Wachstum in die Katastrophe führt.
Deshalb darf nicht den maßgeblichen Verursachern der Probleme, den Märkten, und damit letztlich den großen Unternehmen und Konzernen, die Gestaltung unserer Zukunft überlassen werden. So macht man den Bock zum Gärtner.
Die Verschärfung der ökologischen Krisen haben doch die gleiche Ursache wie die Verschärfung
der sozialen Verwerfungen und Verteilungskämpfe:
Es ist genau diese neoliberale Politik der letzten drei, vier Jahrzehnte, die Gewinninteressen Einzelner vor die Interessen der Beschäftigten, die Interessen der VerbraucherInnen und der Umwelt
stellt.
Was wir brauchen ist ein grundsätzliches Umdenken in der Wirtschaftspolitik, und eine enge Verzahnung einer neuen Wirtschaftspolitik mit der Umweltpolitik. Wir brauchen einen sozial-ökologischen Umbau unserer Gesellschaft, in der soziale Belange und ökologische Erfordernisse nicht gegeneinander ausgespielt werden.
(Ich kann hier nicht auf die Details unserer Vorschläge eingehen, sie sind nachzulesen im Netz bei DGB, IG Metall, ver.di, GEW usw. Insbesondere verweise ich auf die gemeinsamen Erklärungen von DGB und BUND sowie auf das gemeinsame Eckpunktepapier von IG Metall, BUND und NABU. Dies sind Grundlagen für unsere weitere Politik.)
Ich will für den DGB an dieser Stelle ausdrücklich betonen: Ja, es ist richtig was ihr, die
fff, sagt: so wie es ist, kann es nicht weitergehen.
Und es muss schneller als bisher geplant umgesteuert werden. Wir wissen alle, dass uns unsere Lebensgrundlagen verloren gehen, wenn
wir jetzt nicht endlich massiv umsteuern. Unser Trinkwasser ist verschmutzt, unsere Atemluft durch Feinstäube belastet, unsere Lebensmittel
enthalten Umweltgifte, der Klimawandel ist massiv.
Wir stehen am Abgrund. Nur noch Dummköpfe und politische Spekulanten sagen, dass es wie bisher weiter gehen soll. Das sind die Leugner des Klimawandels, insbesondere die Gaulands und Höckes von der AfD und andere Rechtsradikale, deren Weltbild aus Hass und Verachtung besteht für alle Andersdenkenden. Für alles, was bunt, vielfältig und demokratisch ist. Ihr, die Schülerinnen und Studenten, die Ihr für Eure Rechte demonstriert, wie auch wir, die Gewerkschaften, gehören zu deren Feindbild.
Aber davon lassen wir uns weder einschüchtern noch irritieren. Im Gegenteil: Der Kampf gegen Rechtsradikale und für Demokratie und der Kampf für eine Klimawende sind zwei Seiten derselben Medaille.
Uns ist klar:
Um Umwelt und Klima zu schützen geht es in den kommenden zwei Jahrzehnten um einen massiven Strukturwandel.
Das betrifft sowohl die Wertschöpfung, also was wird produziert und wie wird produziert, ebenso wie unser individuelles Leben und unsere Art des Konsumierens. Das führt natürlich im Einzelnen zu
Zielkonflikten. Deshalb
kann dieser Strukturwandel nur gelingen, wenn ihn alle Menschen mitgehen, wenn sie keine Angst vor der Zukunft haben müssen, sondern wenn deutlich wird, dass es zu einem fairen
Interessenausgleich kommt.
Ein Interessenausgleich insbesondere für die arbeitenden Menschen, für die RentnerInnen, die Arbeitslosen, Studierenden, also für alle Menschen, die über kein hohes Einkommen und keine hohen Vermögen verfügen. Dazu machen wir Gewerkschaften klare Vorschläge.
Uns geht es darum, dass „Gute Arbeit“, faire Löhne, sichere Arbeitsplätze, auskömmliche Renten, gute medizinische Versorgung, bezahlbarer Wohnraum in einer sauberen, gesunden Umwelt keine Gegensätze sind.
Denn sie werden erst zu Gegensätzen, wenn der Profit der Konzerne als oberstes Ziel gesetzt wird. Deshalb verbinden wir umweltpolitische Themen mit den sozialen Themen. Es geht um die ökologische und um die soziale Wende. Es geht gleichzeitig zum einen um Umwelt- und Klimaschutz und zum anderen um die Bekämpfung der sozialen Ungleichheit von Einkommen und Vermögen in diesem Land.
Wer dies ernst nimmt, wer eine wirkliche Wende möchte, der muss auch das Wort „Umverteilung
von Oben nach Unten“ in den Mund nehmen.
Wer Milliarden in den ökologischen Umbau investieren will muss auch sagen, wo er diese Milliarden hernehmen möchte. Wir leben in einem sehr reichen Land. Nur: dieser Reichtum ist sehr ungleich
verteilt. Wir, die Gewerkschaften, wollen diese Umverteilung von oben nach unten.
Die Reichsten dieses Landes verdanken ihren Reichtum ja nicht ihrer Hände Arbeit. Sondern uns,
der Allgemeinheit.
Wir verlangen, dass endlich dieser unmäßige Reichtum zum Wohle der Allgemeinheit eingesetzt wird.
Sozialökologischer Umbau heißt also insbesondere auch: Umbau der Finanz- und Steuerpolitik, damit diese Umverteilung, diese ungleich verteilten großen Vermögen für ein sozial-ökologische Investitionsprogramme genutzt werden.
Damit sind wir aber bei der Kernfrage.
Es geht um die gesellschaftliche Macht, es geht um die ungleiche Verteilung von Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten:
Wer hat das Sagen in der Umwelt- und Sozialpolitik?
Wer kann seinen Einfluss wirklich geltend machen?
Nur einige wenige Konzerne und die reichsten Familien dieses Landes?
Oder wir alle?
Die Antwort darauf gebt Ihr alle hier und heute:
Wir, die Menschen dieses Landes wollen das Sagen haben. Nicht einige wenige wirtschaftlich Mächtige und ihre politischen Anhängsel.
Wir brauchen nicht nur eine ökologische und soziale, sondern auch eine demokratische Wende, um diese großen Herausforderungen zu bewältigen.
Deshalb stehen wir hier heute gemeinsam und wir werden noch weite Wege gemeinsam gehen müssen, um diese lebenswerte Welt zu erhalten.
Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.